Der „hocheffiziente Verbrenner“ bewegt das Land. Ausgelöst von einer Pressekonferenz, die an die unfreiwillige Komik eines Günter Schabowski erinnert.
Friedrich Merz ist kein Physiker. Er ist Jurist. Einem Juristen muss man verzeihen, dass er mit Worten jongliert, die nichts bedeuten. Wenn aber eine Worthülse zur offiziellen Linie der gesamten Bundesregierung wird – inklusive des Wirtschaftsministeriums, das von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren nur so wimmelt –, dann wird es peinlich. Dann fragt man sich: Glauben die wirklich, dass du und ich zu dumm sind, um das zu durchschauen? Eine Katherina Reiche, Diplom-Chemikerin, kann jedenfalls nicht so verblendet sein, an einen „hocheffiziente Verbrenner“ zu glauben.
Die Sache ist nicht schwer. Einen „hocheffizienten Verbrenner“, der die Gesetze der Physik außer Kraft setzt, gibt es genauso wenig wie ein Perpetuum mobile, Diät-Fritten oder Hauskatzen, die sich mit einem „Nein“ abfinden. Bestimmte Dinge sind halt so, wie sie sind. Und das mit den Motoren steht seit 1824 mehr oder weniger fest. Die entsprechende Abhandlung von Sadi Carnot trug den epischen Titel „Réflexions sur la puissance motrice du feu…“, also „Betrachtungen über die treibende Kraft des Feuers…“.
- Carnot-Wirkungsgrad: Jede Wärmekraftmaschine hat eine physikalische obere Wirkungsgrenze, die nur von der Temperaturdifferenz abhängt. Beim Ottomotor kommst du theoretisch auf maximal 60 %, wenn du die Verbrennungstemperatur ins Absurde treibst. In der Praxis wird’s enger. Die besten Serienmotoren kratzen im Labor gerade mal an 42 bis 43 %. Auf der Straße sind es dann wieder 25 bis 28 % im Mittel, weil du bremst, beschleunigst und auch mal im Stau stehst.
- Verluste ohne Ende: Selbst wenn du den Motor mit allen Tricks (etwa: „variable Ventilsteuerung“, Hochdruckeinspritzung, Zylinderabschaltung, 48-Volt-Mildhybrid) „pimpen“ lässt – 30 % der Energie verpufft schon im Motor selbst, weitere 20 bis 25 % im Getriebe, in den Reifen, als Abwärme.
- Kostenlawine durch Abgasnormen: Je „effizienter“ du den Verbrenner machen willst, desto teurer und komplexer wird die Abgasnachbehandlung. Die neue und sehr strenge EU-Abgasnorm „ Euro 7“, gültig ab 29.11.2026, macht aus einem modernen Benziner bereits heute ein teures Accessoire für den stilsicheren Vroom-Vroom-Aficionado. Der „hocheffiziente Verbrenner“ ist also ein neues Luxusgut, geschaffen für Leute, die gern viel Geld für wenig Effizienz ausgeben.

Der wusste es schon vor über 200 Jahren: Sadi Carnot (Porträt von Sadi Carnot, Quelle: Robert Mahl, Wikimedia Commons, CC0)

Insgesamt war während der Pressekonferenz am 01. Dezember über 30 Mal die Rede vom „hocheffizienten Verbrenner“
Merz und die schwarz-rote Koalition müssen all das zu einem gewissen Grad wissen. Sie müssen auch wissen, dass die Batteriepreise inzwischen auf rekordniedrige Werte gefallen sind und Elektroautos auf Herstellerebene vielerorts bereits kostengleich mit Verbrennern sind – auch wenn die Endkundenpreise wegen Margenpolitik und geringerer Stückzahlen oft noch höher liegen. Batteriepack-Preise sind 2024 im globalen Durchschnitt auf rund 120 bis 140 US-Dollar pro kWh gefallen sind und liegen in Großverträgen bereits teilweise unter 60 US-Dollar – das ist ein historischer Tiefstand. Und trotzdem verkauft dir die Bundesregierung „Technologieoffenheit“ als Rettung. Es geht nicht um Technik oder Klimaschutz. Es geht um Wähler in Bayern und Baden-Württemberg, um Angst vor dem Wandel und um die letzte große Runde fossilen Ablasshandels: Noch ein paar Jahre Jobs retten, noch ein paar Milliarden Subventionen kassieren. Dann ist eh Feierabend. Dann darf sich die nächste Regierung ärgern.
Es hatte fast etwas Tragikomisches: eine viel beachtete Pressekonferenz, die an jenen Moment aus 1989 erinnerte, in dem Günter Schabowski auf die Frage nach der Reisefreiheit abgehackt meinte: „Nach meiner Kenntnis… tritt das sofort, unverzüglich, in Kraft.“ Damals löste ein verunsicherter Satz den Fall einer Mauer aus. Heute löst ähnliches Stammeln nur noch Kopfschütteln aus.
